Oft wird Wien als Vorbild für eine vorausschauende, sozial ausgewogene Wohnungspolitik genannt. Was macht den Wiener Wohnungsmarkt so besonders? Und warum kann gerade das Segment „freifinanzierter Wohnungsneubau“ für institutionelle Investoren eine interessante Anlageoption sein?
Investieren auf Basis eines nachvollziehbaren ESG-Katalogs ist für institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Rentenversicherer heutzutage in allen Anlageklassen essenziell. Selbstverständlich nimmt auch bei Immobilienfonds Nachhaltigkeit eine immer stärkere Rolle ein. Gerade bei Wohnobjekten sind dabei nicht nur ökologische, sondern stets auch soziale Aspekte wesentlich. Denn soziale Verantwortung und leistbares Wohnen sind elementare Nachhaltigkeitsfaktoren. Das Augenmerk liegt dabei nicht allein auf der Einhaltung der mietrechtlichen Bestimmungen, sondern auch auf einer maßvollen Mietentwicklung und einem fairen Umgang mit den Mietern. Aber wie genau gestaltet sich dies?
Die Stadt Wien blickt auf eine lange Tradition im kommunalen Wohnungsbau zurück und ist – wie viele Metropolen in Deutschland – eine stark und schnell wachsende Kommune. Laut aktueller Bevölkerungsprognose wird noch vor 2027 die 2-Millionen-Einwohner Grenze überschritten werden. Das starke Wachstum stellt neue Herausforderungen an den Wiener Wohnungsmarkt – und schafft gleichzeitig interessante Investitionsmöglichkeiten.
Besonderheiten des Wiener Wohnungsmarktes
Gegenwärtig gibt es in Wien mehr als 930.000 Wohnungen, davon sind rund 80 Prozent Mietwohnungen. Seit über 100 Jahren versorgt die Bundeshauptstadt ihre Einwohner auch selbst mit leistbarem Wohnraum. Die sogenannten „Gemeindebauten“ mit ihren rund 160.000 Wohnungen prägen nicht nur das optische Erscheinungsbild der Stadt wesentlich mit, sondern sind auch zum Bestandteil der Kultur Wiens geworden. Rund 200.000 kostengünstige, von Seiten der Öffentlichen Hand geförderte Genossenschaftswohnungen ergänzen dieses kommunale Angebot. Als Mitglied einer Genossenschaft wohnt man zu günstigeren laufenden Wohnkosten, allerdings muss zu Mietbeginn eine größere Summe als Finanzierungsbeitrag (= mietzinsmindernder Grundkosten- und/oder Baukostenbeitrag) aufgewendet werden. Die dritte Säule des Wiener Wohnungsmarktes bildet mit etwa 200.000 Wohnungen der Altwohnungsbestand (vor 1945/53 erbaut) im sogenannten „Zinshaus“. Das sind überwiegend historische Altbauten, viele davon um die Jahrhundertwende errichtet und von architektonisch sehr hoher Qualität. In diesen Objekten sind die Mieten durch den Richtwertmietzins gedeckelt. Meistens bestehen langandauernde Mietverhältnisse und damit einhergehend ist die Mieterfluktuation äußerst gering. Folglich herrschen in diesem begehrten Segment sehr geringe Leerstandsraten.
Diesem dreifachen „sozialen Angebot“ steht als vierter Teilbereich mit rd. 150.000 Wohnungen der freifinanzierte, moderne Mietwohnungsneubau gegenüber. Hier gibt es hinsichtlich Miethöhe und Befristung kaum gesetzliche Einschränkungen, die Nachfrage bestimmt letztlich die Miethöhe. Aufgrund der großen Zahl an Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen liegen die Mietpreise in Wien gegenwärtig auch im freifinanzierten Mietwohnungsneubau auf einem verhältnismäßig moderaten Niveau – in welcher europäischen Hauptstadt mit wenigstens halbwegs vergleichbarer Lebensqualität kann man schon neuerrichtete, hochwertige Wohnungen in guter Lage um € 12,50/ qm monatliche Nettokaltmiete bekommen?
Pandemie ändert Ansprüche ans Wohnen
Im Gegensatz zu Berlin ist es in Wien gesellschaftlich durchaus akzeptiert, dass größere Wohnobjekte von heimischen oder internationalen Investoren als Ganzes erworben, über die vorgesehene Laufzeit aktiv und fair gemanagt und eines Tages auch wieder als Ganzes veräußert werden. Dies gilt für Neubauten wie auch für den Altbestand, wobei in diesen Fällen die Bewohner etwaig geplanten Luxusmodernsierungen zumeist eher ablehnend gegenüberstehen – ist doch oftmals die Folge, dass sich die angestammte Mieterschaft die mit dem Standard entsprechend steigenden Mieten in der Folge nicht mehr leisten kann. Im Nebeneffekt verteuern mehrere Luxussanierungen in einer Straße tendenziell auch die Mieten in noch unsanierten Nachbargebäuden. Im Extremfall folgt Segregation – die langsame Vertreibung sozial Schwächerer aus dem „Grätzl“, wie man in Wien zu seinem Stadtviertel sagt. Als potenziell bedrohlich werden von vielen Bewohnern historischer Altbauten gemeinhin sogenannte Aufteilungs- oder Parifizierungsaktivitäten empfunden. GalCap hat diese und andere fragwürdige Praktiken in der firmeneigenen Sozial-Charta für sich ausgeschlossen.
Jeder Investor kann mit seinem Handeln einen Teil dazu beitragen, dass das ökonomische und ökologische Niveau der Wohnungen zeitgemäß steigt, aber dennoch die soziokulturelle Struktur der Mieterschaft im Haus und in der Umgebung erhalten bleibt. Wohnen ist ein Grundbedürfnis und die soziale Durchmischung der Bezirke trägt maßgeblich dazu bei, den sozialen Frieden in der Stadt zu sichern. Als Folge der Pandemiesituation samt Lockdown-Erfahrungen und Homeoffice haben sich die Ansprüche an das Wohnen als Mittelpunkt des privaten und teilweise auch des beruflichen Lebens geändert: Gesucht werden verstärkt nun eher größere Wohnungen, möglichst mit Möglichkeiten sich im Freien aufzuhalten, d.h. Balkon, Terrasse oder Eigengarten. Idealerweise hat die Wohnung zudem ein Zimmer mehr.
Fazit: Wien bietet Sicherheit
In der Errichtung, Bewirtschaftung, den Mietniveaus, der Nachfrage nach Wohnraum und den Verkaufspreisen zeigt sich das Segment Wohnen in Wien von der Covid-19-Pandemie weitestgehend unbeeinflusst. Hauptursache dafür ist in Großstädten wie Wien und den weiteren Ballungszentren um Graz oder Linz die nach wie vor positive demografische Entwicklung. Diese Standorte erfreuen sich größter Beliebtheit dank hohem Freizeitwert, starker Infrastruktur sowie guten Arbeitsmöglichkeiten und ziehen neue Bewohner an. Der stete Zuzug treibt die Nachfrage nach qualitätsvollem Wohnraum. Wenn der Asset Manager glaubwürdig sowohl die Investoreninteressen als auch jene der Mieter berücksichtigt, führt dies letztendlich zu Mieterzufriedenheit und Mietertreue. Aus Investorensicht bedeutet dies weniger Leerstand und geringere Mietausfälle. Das wirkt sich nachhaltig positiv auf die Stabilität der Rendite aus. Dies gilt primär für den freifinanzierten, modernen Wohnbau mit höheren Renditen und erkennbarem Upside-Potential, aber auch für das Anlageobjekt Zinshaus. Zwar fehlt diesem weitgehend die ertragsseitige Phantasie, jedoch ist das klassische Wiener Zinshaus die stabilste und risikoärmste Ausprägung von Wohnimmobilien in Österreich und kann als Wertsicherungskomponente eine wichtige Ankerfunktion in einem Portfolio übernehmen.
(Von: Dr. Manfred Wiltschnigg und Marco Kohla, Managing Partner bei GalCap Europe)
Quelle: Deal Magazin (Online), 26.04.2021.