Marco Kohla (li.) und Dr. Manfred Wiltschnigg (re.) – Foto: Copyright GalCap
Life-Science- und Technologie-Immobilien treten immer mehr in den Vordergrund. Dafür gibt es Gründe. INTELLIGENT INVESTORS sprach hierzu mit Dr. Manfred Wiltschnigg und Marco Kohla von GalCap Europe.
INTELLIGENT INVESTORS: Im Immobiliensegment gibt es viele etablierte Assetklassen. Neben Wohnen, Gewerbe (Büro) und Logistik tritt nun mit Life-Science- und Technologie-Immobilien eine neue Asset-Kategorie hinzu. Welche Gründe machen Sie hierfür aus?
Dr. Manfred Wiltschnigg / Marco Kohla: LifeScience & Tech ist in der Tat eine junge Assetklasse. Bisher wurde diese Objekte als Randerscheinung eingestuft und von institutionellen Investoren kaum beachtet. Mit der Covid-Pandemie ist die Gesundheitsindustrie jedoch schlagartig ins Rampenlicht gerückt und hat auch den Blick auf die dafür benötigten Immobilien geschärft. Zudem suchen immer mehr deutsche und internationale Investoren angesichts der Umbrüche in den klassischen Immobiliensegmenten nach Investitionsmöglichkeiten in alternative Assetklassen. Eine klare, definitorische Abgrenzung von LifeSciene & Technologie-Immobilien ist jedoch nicht ganz einfach. Kennzeichnend ist für den Sektor die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen von Biotechnologie und ‑chemie über Medizintechnik bis zur spezialisierten IT. Die Gebäude müssen daher unterschiedliche Funktionen vereinen, die von Büronutzung über Flächen für Forschung & Entwicklung bis zur Produktion reichen. Der Laboranteil muss nach unserem Verständnis zumindest ein Drittel der Gesamtfläche ausmachen.
II: Trends kommen oftmals von den Vereinigten Staaten nach Europa rüber. Das trifft wohl auch für „Science & Tech“ zu. Wie etabliert ist dort dieses Segment bereits?
Dr. Wiltschnigg / Kohla: Die USA ist Europa hierbei meilenweit voraus. Dort existiert bereits seit Jahrzehnten ein etablierter Markt für Forschungsimmobilien, wodurch Science & Tech für viele Investoren ein fester Bestandteil eines diversifizierten Immobilienportfolios ist. Neben spezialisierten Projektentwicklern haben sich auch interessante Geschäftsmodelle zum Betrieb dieser Immobilien entwickelt, die die gesamte Branche weiterbringen. Hier wären zum Beispiel Full-Service-Anbieter zu nennen, die komplett ausgestattete Laborarbeitsplätze im Sinne von „Shared Labs“ vermieten und damit gerade jungen Forschungsunternehmen einen flexiblen Rahmen für die Entwicklung bieten. Nicht selten wachsen diese Unternehmen schnell aus dem Shared Lab heraus und benötigen größere, eigene Flächen. Erfolgreiche Wissenschaftsstandorte bieten genau hierfür die Möglichkeit.
II: Gibt es Erfahrungswerte, die Entwickler (und Investoren) diesbezüglich aus dem US-Markt mitnehmen können?
Dr. Wiltschnigg / Kohla: Die Clusterbildung ist ein entscheidender Faktor. Die Vernetzung und Kooperation mit anderen Unternehmen ist für die Nutzer von LifeScience-Immobilien essenziell. Eine Forschungsimmobilien kann selten für sich alleine stehen, sondern muss vielmehr in einen funktionierenden Mikrokosmos eingebunden sein. Neben anderen LifeScience & Tech-Unternehmen in verschiedenen Entwicklungsstadien ist die Nähe zu einer renommierten Universität von großem Vorteil. Es gilt, diese spezialisierten Cluster-Standorte zu schaffen bzw. auszubauen.
II: Die USA und Europa/Deutschland differieren fundamental. Von Ihrer Warte aus, an welchen Hebeln gilt es anzusetzen, um die mögliche Attraktivität dieser neuen Assetklasse stärker hervorzuheben? Welche politischen Impulse sind notwendig?
Dr. Wiltschnigg / Kohla: Die Assetklasse Science & Tech benötigt Expertenwissen auf allen Ebenen: von der Planung über die Bauausführung und die Vermietung bis hin zum Bestandsmanagement. Man muss die Anforderungen der Nutzer noch genauer verstehen als in klassischen Immobilienarten. Die Attraktivität dieser Assetklasse für einen breiten Investorenkreis wird in dem Maße wachsen, wie es einerseits spezialisierte Dienstleister und Assetmanager gibt, die das Produkt verstehen. Andererseits spielt die Verfügbarkeit von Anlageobjekten und die Marktliquidität eine große Rolle. Die (Lokal-)Politik kann hier sicherlich unterstützen, u.a. durch Infrastrukturmaßen, Ansiedlungsanreize für Forschungsunternehmen und gute Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Denn ein viel wichtiger Standortfaktor als die Immobilien sind die qualifizierten Mitarbeiter, die darin forschen.
II: Der Büromarkt ist riesig, der Life-Science-Markt hingegen klein. Wie gestaltet sich der Findungsprozess für geeignete Flächen?
Dr. Wiltschnigg / Kohla: Richtig, der Mietflächenumsatz bei Science & Tech-Immobilien in den deutschen Top-5-Märkten kommt gerade einmal auf 1% (!) des Büroflächenumsatzes. Auch das jährliche Transaktionsvolumen knackt kaum die Milliardengrenze. Bei der Suche nach guten Ankaufsobjekten kommt daher dem eigenen Netzwerk eine entscheidende Bedeutung zu. Die persönlichen Kontakte zu vielen Entscheidungsträgern in der Branche ermöglichen es, immer wieder attraktive Gelegenheiten zu finden und umzusetzen.
II: Inwiefern könnte Life-Science eine ähnliche Entwicklungsdynamik (auch in den Portfolios) einnehmen wie die Logistiksparte heutzutage?
Dr. Wiltschnigg / Kohla: Von manchen Marktteilnehmern wird Life-Science schon als die „neue Logistik“ gefeiert. Bei aller Begeisterung für die Assetklasse halten wir das für übertrieben. Die Volumina werden auf absehbare Zeit nicht an Logistik heranreichen, schon allein mangels Produktbestand und Herstelldauer. Der Bau einer Laborimmobilie ist ungleich komplexer als Logistikhallen und die Anforderungen an den Standort sind, wie bereits beschrieben, deutlich höher. Wir erwarten daher ein anderes Szenario: die Flächenknappheit wird zu einer Mietpreisdynamik und faktischer Vollauslastung in diesem Segment führen. Die Flächennachfrage wird in einer immer stärker wissensbasierten Volkswirtschaft zwangsläufig steigen. So wird sich auch die Risikowahrnehmung der Assetklasse Science & Tech wandeln und für viele Anleger attraktiver. „Klein, aber fein“ wird das Motto dieser Assetklasse werden.
II: Welche Rendite lässt sich mit diesem Segment erzielen? Wie schaut es darüber hinaus mit der Implementierung von ESG-Aspekten aus?
Dr. Wiltschnigg / Kohla: Die Renditen liegen ca. 100 — 150 bps über qualitativ vergleichbaren Büros. Dieser Abstand wird schrumpfen, je stärker die Assetklasse ins Bewusstsein der Anleger vorrückt. Im Gegensatz zu Büros wird der Bedarf an diesen Immobilien in der nächsten Dekade wachsen und ein Überangebot ist nicht zu erwarten. Das Risikopremium müsste folglich zurückgehen. Hinsichtlich ESG erfüllen moderne Forschungsimmobilien alle Anforderungen. Je nach Tätigkeitsfeld des Nutzers kann sogar ein besonderer „S“-Aspekt hinzukommen, denn beispielsweise die Entwicklung neuer Impfstoffe hat einen positiven sozialen Effekt für die Gesellschaft.
Quelle: Intelligent Investors vom 29. Mai 2024: „Life-Science & Tech benötigt Expertenwissen auf allen Ebenen“