Wohnungsmarkt: Vorbild Österreich? Warum Wohnen in Wien noch bezahlbar ist

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In deutschen Großstädten wird Wohnen immer teurer. Doch es geht auch anders, wie das Beispiel Österreich zeigt – in Wien, Graz und Co. kosten die Mieten teilweise halb so viel wie in deutschen Metropolen. Was machen die Österreicher anders?

945 Euro: So viel geben Münchener durchschnittlich für die monatliche Kaltmiete einer 50-Quadratmeter-Wohnung aus. 400 Kilometer östlich von München, in Österreichs Hauptstadt Wien, bezahlen Mieter für eine Wohnung derselben Größe im Durchschnitt nur 433 Euro – also weniger als die Hälfte.

Mit rund 18,90 Euro pro Quadratmeter im Monat ist München die teuerste Stadt in Deutschland, gefolgt von Hamburg, Frankfurt und Berlin mit Quadratmeterpreisen von mehr als 14 Euro im Monat. Damit liegen die Großstädte Deutschlands deutlich über den Monatsmieten österreichischer Städte – insbesondere Wien mit durchschnittlich rund 8,66 Euro pro Quadratmeter im Monat. Aber auch die Preise in Städten wie Graz und Linz liegen weit unter dem deutschen Mietniveau. So wenig Miete in einer europäischen Millionen-Metropole klingt in deutschen Ohren utopisch. Wie kann es also sein, dass Wohnen in Österreich verhältnismäßig bezahlbar geblieben ist?

Zumindest scheint es nicht an der Lebensqualität zu liegen: Wien wurde vom „The Global Liveability Index“ im Jahr 2022 zum wiederholten Mal zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt – noch vor Zürich, Amsterdam oder Frankfurt. Auch die Durchschnittsgehälter sind in Österreich mit den deutschen Gehältern vergleichbar. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt ist in Österreich mit 125 Prozent sogar höher als in Deutschland (117 Prozent) – was laut dem Immobilien- und Spezialfonds-Assetmanager GalCapEurope mit den niedrigen Mieten zusammenhängt.

Kommunaler Wohnungsbau

Ein Grund für die günstigen Mietverhältnisse ist der kommunale Wohnungsbau. Während die Mieten im Privatsektor auch in Österreich zunehmend teurer werden, bleiben die Mieten beim Bestand des städtischen Wohnungsbaus weiterhin erschwinglich. „Mehr als die Hälfte der Wohnungen haben eine reine Versorgungsfunktion und werden von den Gemeinden oder von Genossenschaften vermietet“, erklärt GalCap-Geschäftsführer Manfred Wiltschnigg in einem Vortrag.

Gerade bei den sogenannten Gemeindewohnungen seien die Mieten besonders niedrig. Vermietet werden diese an Menschen mit geringem Einkommen. „Einkommensnachweise müssen nach Einzug aber nicht mehr vorgelegt werden“, ergänzt der Experte. Verdienen Personen, die einst als Studierende eingezogen sind, später also deutlich mehr, verlieren sie die günstige Gemeindewohnung dennoch nicht. Entsprechend beliebt sind die Gemeindewohnungen bei den Österreichern – Bewerber werden auf Wartelisten geführt.

Auch das Mietrecht gestaltet sich in Österreich anders als in Deutschland. „Das Mietrecht ist sehr strikt und mieterfreundlich“, meint Wiltschnigg. Als Beispiel nennt er befristete Mietverträge. Diese sind in Österreich meist über einen Zeitraum von drei Jahren üblich. Der Mieter kann die Wohnung innerhalb dieses Zeitraumes jederzeit kündigen, der Vermieter allerdings nicht. Ebenso können Vermieter innerhalb dieses Zeitraums die Miete nicht erhöhen. Nach Ablauf der Frist ist es möglich, den Mietvertrag zu verlängern. Im Zuge dessen sind allerdings auch Mieterhöhungen möglich.

Schneller Wohnungsbau

Doch auch auf dem österreichischen Wohnungsmarkt geht es nicht nur rosig zu. Das Land hat mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen wie Deutschland: Bevölkerungszuwachs, auch durch Fluchtbewegungen, erfordert mehr bezahlbaren Wohnraum, gleichzeitig ist das Baumaterial knapp, was den Neubau von Gebäuden verzögert und verteuert.

Die Stadt Wien hat besonders mit einem weiteren Problem zu kämpfen: dem Sanierungsstau. Viele der Wiener Gebäude stammen aus der Nachkriegszeit. Schätzungen des österreichischen Rechnungshofs zufolge liegen die Kosten für den Sanierungsbedarf bei mindestens 5 Mrd. Euro. Gerade im Hinblick auf die ab 2030 EU-weit strengeren Energiewerte-Regelungen für Altbauten wird Wien sanieren müssen.

Und dennoch: Im Jahr 2022 und voraussichtlich auch 2023 gelingt es Österreich auf 1000 Einwohner gerechnet, deutlich mehr Wohnungen zu bauen als Deutschland, zeigen Zahlen des österreichischen Immobilienanbieters Exploreal. Das liegt mitunter an der schlankeren Bauverwaltung in Österreich. „Baugenehmigungen werden innerhalb von wenigen Monaten erteilt und Finanzierungsanfragen auch von den Regionalbanken zügig und unkompliziert bearbeitet“, sagt GalCap-Experte Wiltschnigg. Die Kommunen halten sich zudem Baulandreserven für städtischen Wohnbau bereit. Insgesamt seien die Grundstücke in Österreich günstiger, was wiederum die Mieten nach unten drückt.

Das Beispiel Österreich zeigt also deutlich: Bezahlbarer Wohnraum ist nicht nur eine Frage des Marktes, sondern auch der staatlichen Wohn- und Baupolitik. Selbst wenn in Österreich nicht alles rund läuft, kann sich Deutschland das ein oder andere mit Sicherheit abschauen

Quelle: Capital.de von 12.06.2023 „Vorbild Österreich? Warum Wohnen in Wien noch bezahlbar ist“