COVID-19 stellte die Welt von einem Moment auf den anderen auf den Kopf, selbstverständlich auch den Immobilienmarkt. Was bedeutet das für Investitionen in den Immobilienmarkt Österreichs? Wir blicken auf die Entwicklung in den verschiedenen Immobiliensegmenten und zeigen auf, welche Chancen sich mit Blick auf die Bewertungen der Objekte bzw. im Hinblick auf die aktuelle Zurückhaltung zahlreicher Investoren ergeben.
Während Investoren in der aktuellen Krise fallende Preise, steigende Renditen und eine Verschiebung der Verhandlungsmacht bei Investitionen in ihre Richtung erwarten, gehen nicht wenige Bestandhalter und Entwickler davon aus, dass gerade in Krisenzeiten die Veranlagung in Immobilien ein Gebot der Stunde sei und das allgemeine Preisniveau daher zumindest nicht fallen dürfe. Diese Diskrepanz behindert aktuell neue Kaufabschlüsse und wird erst dann, wenn klarere Sicht auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung besteht, durch die Ausbildung eines neuen, gemeinsamen „Preis-Bodens“ überwunden.
Österreich in pandemischer Entwicklung vor Deutschland
Die rechtliche Lage in Österreich in Bezug auf Mietstundungen ist kompliziert. So wurde die Regelung getroffen, dass Mieter für Flächen, die aufgrund von entsprechenden Gesetzen oder Verordnungen zeitweilig nicht benutzt werden durften – konkret handelt es sich dabei um Retail-, Gastronomieflächen und Flächen in Beherbergungsbetrieben – für diesen Zeitraum keine Mietzahlung schulden. Ein nicht geringer Teil des dem Gewerbetreibenden entstandenen Schadens wurde somit entschädigungslos auf den Bestandhalter/Vermieter abgewälzt. Die Frage, ob diese Regelung fair ist, darf zumindest gestellt werden.
Kleinere Verkaufsflächen wurden in Österreich nach einem vierwöchigen Lockdown wieder geöffnet, Anfang Mai folgten sämtliche, auch größere Verkaufsflächen. Seit dem 15. Mai hat auch die Gastronomie – unter weitreichenden Auflagen – den Betrieb wieder aufgenommen. Mit Nachwirkungen ist jedoch zu rechnen, z.B. einer höheren Sparsamkeit in unsicheren Zeiten und folglich einer deutlich geringeren Konsumneigung. Für viele Wirtschaftsbereiche, wie eben die Gastronomie, werden daher Hilfspakete geschnürt.
Offizielle Daten zur Entwicklung der Mieteinnahmen oder Stundungen liegen noch nicht vor. Während der staatlich verordneten Schließungen des Retailbereichs fielen Mieten aber natürlich aus, im Büro-Bereich gab es hingegen nur in Einzelfällen Stundungen. Bislang wurde bei österreichischen Unternehmen praktisch keine nennenswerte Anzahl an Insolvenzen bekannt, daher gibt es aktuell auch keinen durch Corona bedingten Leerstand. Vieles ist einer abschließenden bilateralen Regelung zwischen Mieter und Vermieter nach Ende der Corona-Krise vorbehalten.
Wohnen und Büro bislang wenig betroffen
Praktisch alle Objekte in allen Assetklassen waren und sind voll vermietet. Vor Beginn der Krise herrschte Hochkonjunktur, es gab fast keine Leerstehungen. Die Objekte müssen auch in der Krise fortlaufend professionell bewirtschaftet werden. Das Segment Wohnen zeigt sich vollständig unbeeinflusst: Die Mieten sind gleichbleibend, die Nachfrage nach privatem Wohnungseigentum sogar eher steigend. An vielen vor der Krise gültigen Parametern hat sich in der Assetklasse Wohnen nichts geändert. Aus der Gruppe der institutionellen Investoren ist künftig eher eine stärkere Nachfrage nach dieser Assetklasse zu erwarten, dementsprechend wenig Flexibilität zeigen die Developer bei Anfragen nach Preisreduktionen. Im Vergleich zu Gewerbeimmobilien ist Wohnen krisensicherer – und in Österreich noch nicht überteuert.
Auch im Büromarkt sind bislang kaum Auswirkungen zu beobachten. Das kann sich mittelfristig ändern, je nach Dauer und Ausmaß der Situation sowie dem Umfang, in dem die Krise auf die Allgemeinwirtschaft durchschlägt. Noch arbeiten die Mitarbeiter zahlreicher Unternehmen teilweise im Home-Office, die Büros sind dennoch überwiegend mit einer Teilbesetzung belegt und voll funktionsfähig. Vereinzelt gibt es Anfragen betreffend Mietminderungen, Mietstundungen sind in Österreich eher selten. Das Mietniveau im Bürobereich könnte künftig ein wenig sinken, wenn die Krise länger andauert und eine größere Anzahl von Unternehmen in ernstere wirtschaftliche Probleme kommen sollte. Die Renditen am Büromarkt sind – bei gleichbleibend knappem Angebot – nach unserer Einschätzung seit Beginn der Krise stabil geblieben.
Einzelhandel und Hotel/Gastronomie leiden
Der stationäre Einzelhandel hatte schon in den letzten Jahren unter dem immer stärker werdenden Online-Handel zu leiden. Die gesetzlich verordneten, wochenlangen Schließungen von Geschäftslokalen und Gastronomiebetrieben führten für die Immobilieneigentümer nun zu massiven Verlusten an Mieteinnahmen. Im Gefolge der Corona-Krise wird – bedingt durch Einkommens- und Arbeitsplatzverlust, aber auch schlicht aufgrund einer Verängstigung der Konsumenten – die Konsumbereitschaft für längere Zeit nachhaltig gemindert. Viele Konsumenten haben sich in der Krise an das System der Online-Bestellung samt Hauszustellung gewöhnt und dürften dieser Art des Einkaufens zumindest teilweise auch in Zukunft treu bleiben. Die schon vor der Krise schrumpfenden Umsätze im Einzelhandel werden wohl weiter unter Druck bleiben, daher ist mit Abwertungen im Investmentbereich zu rechnen.
Einer der weltweit am stärksten wachsenden Wirtschaftszweige war im letzten Jahrzehnt der Tourismus. Hotels entwickelten sich zum begehrten Gut, die zahllosen Neuentwicklungen in Europa fanden mehr als ausreichend Abnehmer, die Renditen fielen dabei auf historische Tiefststände. Miet- und Betreiberverträge sollten die Investoren entsprechend absichern und die Assetklasse Hotel weitgehend risikofrei stellen. Im Gefolge der Corona-Krise kam es jedoch zu einem vollständigen Zusammenbruch des Marktes. Europaweit waren wohl mehr als 90% der Hotels über Wochen geschlossen. Die Folgen der Corona-Krise werden viele Investoren hinsichtlich der Assetklasse Hotel deutlich vorsichtiger werden lassen, noch nicht begonnene Entwicklungsprojekte dürften zurückgestellt werden und die Preise am Investmentmarkt werden wohl deutlich fallen.
Der Logistikmarkt gehört zu den wenigen Gewinnern der Corona-Krise. Im Zusammenwirken mit dem deutlich erstarkten E-Commerce Markt stieg der Bedarf an Lager- und Warenumschlagsflächen deutlich an. Insbesondere das kleine Segment der City-Logistik, Stichwort „last mile“, ist eine gesuchte Sub-Assetklasse, die bei steigenden Preisen auch in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Unsicherheit verzögert Ankaufentscheidungen
Auch während des Lockdowns wurden laufende, bereits unterzeichnete Forward-Deals in den meisten Assetklassen fortgeführt. In Österreich wurden die Arbeiten an Neubauprojekten von der Bauwirtschaft nach einwöchigem Stillstand zügig wieder aufgenommen. Allerdings sind viele Investoren stark verunsichert hinsichtlich der künftigen Entwicklungen, korrekter aktueller Marktpreise oder möglicher Auswirkungen auf Finanzierungsmöglichkeiten. Infolgedessen treffen nur wenige Investoren aktuell Ankaufentscheidungen. Laufende Ankäufe werden verzögert, weil die Fondsmanager bzw. Investmentkomitees tunlichst keine Fehler machen wollen. Die Angst ist derzeit größer als die Bereitschaft, bei unsicheren Verhältnissen die eine oder andere – seltene – gute Gelegenheit zu nutzen. Hinzu kommen objektive Behinderungen, z.B. durch eingeschränkte Reisemöglichkeit für externe Prüfer oder Mitglieder von Anlageausschüssen. Das führt teilweise zu Rücktritten von bereits weit gediehenen Ankaufs-Verhandlungen oder zu Forderungen nach signifikanten Preisreduktionen. Diese treffen, speziell bei Verhandlungen über Forward-Deals, auf eine geringe (bis gar keine) Bereitschaft der Developer, bei Preisen Zugeständnisse zu machen, da ja die Projektpipelines der nächsten beiden Jahre ohnehin längst verkauft sind und man von einer weitestgehenden Erholung der Märkte innerhalb der nächsten sechs Monate ausgeht.
Investoren wie Versorgungswerke oder Pensionskassen haben sich in großem Umfang dazu entschlossen, Entscheidungen über ein mögliches Investment in neue Fonds-Vehikel auf „Post-Corona-Zeiten“ zu vertagen. Einerseits befürchtet man einen krisenbedingt geringeren Mittelzufluss, andererseits können die Kurseinbrüche an den Börsen zu einer Verschiebung des Anlagevolumens in den Assetklassen führen, also einem relativen Anstieg der Immobilienquote.
Due Diligence in Zeiten von Lockdown und Social Distancing
Bisher sind nur wenige Deals endgültig gescheitert und damit zurück auf dem Markt. Weder im Bestand noch in den in Entwicklung stehenden Objekten gibt es nachgewiesene Preisreduktionen. Die Hoffnung einiger Investoren, aus einer Zahl von Distressed Assets das eine oder andere Schnäppchen mitnehmen zu können, hat sich bisher jedenfalls nicht erfüllt. Ebenso ist ein Trend zur Abwertung derzeit noch nicht auszumachen. Bei den Sachverständigen gilt zurzeit die stillschweigende Übereinkunft, dass die Vor-Corona-Werte einstweilen noch fortgeschrieben werden sollten.
Wir sind der Ansicht, dass trotz eingeschränkter Kommunikation und persönlicher Bewegungsfreiheit bei der Due Diligence auch in Zeiten der Corona-Krise keinerlei Zugeständnisse hinsichtlich eines geringeren Prüfungsumfangs, niedrigerer Qualitätsstandards oder gekürzter Verfahren gemacht werden dürfen. Die zu erwerbenden Objekte befinden sich zumeist für lange Jahre in den Portfolien, so dass sich jede Nachlässigkeit in der Ankaufsprüfung früher oder später in der Fondsperformance niederschlagen würde. Entscheidend ist, in allen Due Diligence relevanten Bereichen mit professionellen Partnern zusammenzuarbeiten, die auch in Corona-Zeiten eine gleichbleibend gute Qualität garantieren.
Learnings aus der Krise: richtige Diversifizierung und starke lokale Partner wichtig
Wie diversifiziert sollte also ein Immobilienportfolio sein, um auch in der aktuellen Corona-Krise nachhaltige Renditen zu generieren? Es ist klar, dass Spezialfonds, die ausschließlich in einer einzigen Assetklasse investieren (z.B. Hotelfonds), ein gewisses Klumpenrisiko aufbauen. Im Falle einer europäischen oder sogar globalen Wirtschaftskrise ist dieses Risiko, wie man jetzt sehen kann, auch durch regionale Diversifizierung nicht beherrschbar. Eine Diversifizierung nach Nutzungsarten ist daher unabdingbar. Im Fonds GalCap Europe – Austria I investieren wir zu rund zwei Dritteln in Bürogebäude in guten Stadtlagen und kombinieren dies mit einem Drittel freifinanzierten, neuerrichteten innerstädtischen Mietwohnobjekten. Die bisherige Rendite-Entwicklung, auch seit Beginn der Corona-Krise zeigt uns, dass wir mit diesem Ansatz absolut richtig liegen.
Deutsche Investoren, die aktuell aufgrund von Einreisebeschränkungen oder weiteren Umständen ihr Portfolio nicht wie gewohnt betreuen können, haben ein klares Learning aus der Krise: Die Pflege des Portfolios durch qualifiziertes Asset Management vor Ort ist unbedingt erforderlich, ein „Mitbetreuen“ durch vierteljährliche Besuche vom Stammhaus aus reicht nicht aus. Selbst ein sehr guter Property Manager ersetzt kein qualifiziertes Asset Management. Wer sich als Investor ausschließlich auf einen lokalen Property Manager verlässt, wird erkennen, dass strategische Gesichtspunkte der Portfolioentwicklung nicht ausreichend berücksichtigt werden. Make or Buy? Investoren sollten sich die Frage stellen, ob die Sicherstellung eines qualifizierten Asset Managements durch die Entsendung eigener Mitarbeiter, eventuell mit Gründung einer eigenen Tochtergesellschaft, ein sinnvoller Weg ist, oder ob nicht doch die Mandatierung eines unabhängigen Asset Managers vor Ort der bessere Ansatz ist. Auf lokale Expertise gänzlich zu verzichten ist jedenfalls ein riskanter und vielfach teurer Weg – auch das lehrt und die Covid19-Krise.
(Autor: Dr. Manfred Wiltschnigg, Managing Partner bei GalCap Europe)
Quelle: DEAL Magazin, 25.05.2020